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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 26.04.2004 06:00

Verfahrensordnung bei Verdacht von Fehlverhalten in der Wissenschaft
Integrität der Forschung wahren

Mit der neuen „Verfahrensordnung bei Verdacht von Fehlverhalten in der Forschung“ (1) regelt die ETH ab dem 1. Mai den Umgang mit Lug und Trug in der Wissenschaft. Im nachfolgenden Artikel berichtet die Juristin Marion Völger über die Hintergründe zur neuen Verordnung zum wissenschaftlichem Fehlverhalten. In ihrer Doktorarbeit analysierte Völger den Wissenschaftsbetrug. Bis Ende März dieses Jahres arbeitete sie in der Rechtsabteilung der ETH Zürich.

Von Marion Völger

Wissenschaft ist ein typisches System der Selbstkontrolle und geprägt vom Gedanken der Wissenschaftsfreiheit. Entsprechende Regelungen scheinen auf den ersten Blick bürokratisch. Die Forschung ist heute aber mit systemimmanenten Faktoren konfrontiert, die Fehlverhaltensweisen begünstigen können: Schwächen im System der Selbstkontrolle, Quantifizierung des Bewertungssystems, Reputationshierarchien und Karrieremechanismen sowie ein zunehmender Wettbewerb um die Forschungsgelder werden heute zu den wichtigsten Ursachen für Fehlverhalten in der Forschung gezählt.

Die Folgen von Fehlverhaltensfällen können nicht nur für die fehlbaren Forschenden, sondern auch für das Wissenschaftssystem gravierend sein. Die Wissenschaft ist in mehrfacher Hinsicht auf Vertrauen angewiesen. Die Ergebnisse der Wissenschaftler bauen aufeinander auf und müssen international nach vergleichbaren Massstäben erzielt, veröffentlicht und überprüft werden. Vertrauen sichert zudem im Umgang mit den Geldgebern die Finanzierung der Forschung und im Verhältnis zur Öffentlichkeit ein wissenschaftsfreundliches Klima.

USA hat Forschungspolizei

Die Art und Weise, wie mit Fehlverhalten in der Forschung umgegangen wird, ist in der Wissenschaftswelt sehr unterschiedlich. In den USA wird die Diskussion seit über dreissig Jahren geführt. Eine eigentliche Forschungspolizei, das Office of Research Integrity (ORI), sorgt dort für die Einhaltung der Regeln Guter wissenschaftlicher Praxis.

In Europa haben grössere Fälle von Datenfälschungen in den letzten fünf bis zehn Jahren die Forschungsinstitutionen zur Auseinandersetzung mit dem Thema gedrängt. Im Gegensatz zu den USA wurden in Deutschland aber nicht externe Kontrollorgane geschaffen, sondern Massnahmen zur Sicherung der Selbstkontrolle ergriffen. In der Schweiz hat die Schweizerische Akademie der medizinischen Wissenschaften (SAMW) im Juni 2002 als erste Institution Richtlinien für die «Integrität in der Wissenschaft» erlassen.

In den USA und in Deutschland verfügen praktisch alle staatlichen und vielfach auch die privaten Hochschulen über Regelwerke zum Umgang mit Fehlverhalten in der Forschung. Dieser Umstand ist nicht nur dem Verantwortungsbewusstsein der Institutionen zu verdanken, sondern auch einer staatlichen Lenkungsmassnahme. So bearbeiten beispielsweise die National Institutes of Health (NIH) sowie die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) nur noch Forschungsanträge von Gesuchstellern, die an Institutionen beschäftigt sind, die über solche Richtlinien verfügen.


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Ablaufschema des Verfahrens bei Verdacht auf Fehlverhalten in der Forschung. gross

Arbeitsgruppe eingesetzt

Die ETH hat vor einem Jahr begonnen, sich mit der Thematik unter dem Motto «Kultur der Wissenschaft» auseinanderzusetzen und Regelungsbedürfnisse zu definieren. Dazu wurde einerseits die Broschüre «On being a Scientist» an alle Forschenden versandt und in Zusammenarbeit mit dem Collegium Helveticum die Veranstaltungsreihe «Wissenschaft kontrovers» initiiert. Den konkreten Umgang mit Fehlverhalten sollten die Forschenden mitgestalten, da es letztlich die Scientific Community selbst ist, welche die Regeln Guter wissenschaftlicher Praxis festlegt.

Dazu hat die Schulleitung eine Arbeitsgruppe (2) eingesetzt, die Leitlinien zur Forschungskultur sowie einen Vernehmlassungsentwurf für eine Verfahrensordnung bei Verdacht auf Fehlverhalten in der Forschung verfasst hat. An ihrer Sitzung vom 30. März hat die Schulleitung die «Verfahrensordnung bei Verdacht auf Fehlverhalten in der Forschung an der ETH Zürich» (1) verabschiedet und setzt sie auf den 1. Mai in Kraft.

Die Verfahrensordnung ist massgeblich durch den Vernehmlassungsvorschlag der Konferenz des Lehrkörpers (KdL) geprägt. Sie soll einerseits ein Organisationsinstrument sein, das ein faires Verfahren bei Verdachtsfällen ermöglicht. Andererseits soll damit aber auch ein präventiver Beitrag zur Integrität in der Wissenschaft geleistet werden.

Offene Kultur schaffen

Bei der Umsetzung der Richtlinien steht die ETH vor denselben Schwierigkeiten, wie alle anderen Forschungsinstitutionen auch. Es ist notwendig, eine offene Kultur im Umgang mit solchen Fällen zu schaffen. Zudem ist es in der Praxis ausserordentlich schwierig, ein Fehlverhalten klar zu definieren und nachzuweisen. Im Anhang I der Verfahrensordnung werden deshalb konkrete Beispiele aufgezählt, die ein Fehlverhalten darstellen können.

Eine Praxis, wie sich vorsätzliches Fehlverhalten, unsaubere Arbeitsweise und wissenschaftlicher Irrtum abgrenzen lassen, wird sich mit der Zeit entwickeln müssen und bedarf in erster Linie einer ständigen Sensibilisierung aller Akteure des Wissenschaftssystems für die vielschichtige Problematik des Fehlverhaltens in der Forschung.


Literaturhinweise:
"ETH Life"Artikel über den Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten "Forschung auf Abwegen": www.ethlife.ethz.ch/articles/tages/faelschungendiek.html

Fussnoten:
(1) ETH Verfahrensverordnung zum wissenschaftlichen Fehlverhalten: www.rechtssammlung.ethz.ch/pdf/415_fehlverhalten_forschung.pdf
(2) Mitglieder der Arbeitsgruppe waren die Professoren Richard Ernst, Klaus Hepp, Ruben Kretzschmar, Paul Smith und Sabine Werner, sowie die Verwaltungsmitarbeiter Andreas Gehring, Regula Altmann und Marion Völger.



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