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Rubrik: Tagesberichte Neuer Direktor fürs nationale Rechenzentrum Superhirn für Supercomputer |
Published: 20.11.2000 04:00 Modified: 20.11.2000 14:18 |
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Das nationale Hochleistungsrechenzentrum der Schweiz in Manno/TI hat nach jahrelangem Wirbel seit heute Montag endlich einen definitiven Direktor. Er heisst Michele Parrinello und wird heute an einer Medienkonferenz vorgestellt (siehe Kasten). Von Jakob Lindenmeyer (www.jakob.lindenmeyer.ch/) Das Centro Svizzero di Calcolo Scientifico (CSCS) im Tessin hat in den letzten Jahren wiederholt für Schlagzeilen gesorgt und viel Staub aufgewirbelt. Schon vor dem Bau wurde die Standortwahl, weit entfernt von der ETH Zürich als Betreiberin, als föderalistische Geste an die Südschweiz während der Ära Cotti tituliert. Es wurde auch gemunkelt, dass das Tessin der lachende Dritte war, im Streit zwischen der ETH Zürich und der EPF Lausanne, um den nationalen Supercomputing-Standort. Die Zeitungen berichteten auch über die finanziell unbefriedigende Situation des Zentrums, dessen Kosten von jährlich rund zehn Millionen Franken hauptsächlich die ETH Zürich trug, während die übrigen Universitäten fast die Hälfte der Rechenkapazität praktisch zum Nulltarif nutzten. Vor zwei Jahren schliesslich trat der Direktor des CSCS zurück, als ein Teil der Belegschaft ihn öffentlich kritisierte. Alles wird gutJetzt erweist sich die Standortwahl in der Südschweiz aber überraschend als Glücksfall: "Eine wichtige Motivation, um den Job in Manno anzutreten, ist für mich die italienische Kultur und der Lebensstil, in denen ich mich zuhause fühle", antwortet Parrinello auf die Frage, ob der Direktorenposten des bei seinen Kollegen kaum bekannten Rechenzentrums nicht ein Abstieg sei. Parrinello widerspricht: "Die ETH hat international einen erstklassigen Ruf und ich verfüge in Manno über ähnliche Forschungsmittel wie zurzeit als Direktor des Max-Planck-Instituts in Stuttgart." Parrinello wird ab nächstem Sommer zugleich den CSCS-Direktorenposten wie auch eine Professur für Computational Science an der ETH Zürich antreten. "Ohne die Verbindung zur ETH hätte ich mich nicht für Manno entschieden. Aber ohne Manno wäre ich auch nicht an die ETH gekommen". Parrinello will vorwärts schauen: Seine Ankunft in Manno sei eine Chance für einen Neuanfang. Zukunftsbereich Computational SciencesHans-Peter Wessels, der interimistische CSCS-Direktor teilt die Meinung des geglückten Neustarts: "Als mich die Schulleitung im August 1998 bat, interimistisch die Führung des CSCS zu übernehmen, war die Situation in Manno dramatisch. Ich hätte damals nicht gedacht, dass sich eine derart gute Lösung für die Zukunft des CSCS finden lässt." Michele Parrinello sei die ideale Persönlichkeit, um die Idee "Vom Service Center zum Science Center" weiter zu entwickeln. Auch Olaf Kübler (www.verw.ethz.ch/cgi-win/whoShow.exe/ws7?ID=607&lang=dt) , der Präsident der ETH Zürich, ist begeistert vom neuen Direktor: "Michele Parrinello ist zweifellos einer der profiliertesten Köpfe auf dem Gebiet der Computational Sciences und wir sind sehr glücklich, dass er nach Zürich und Manno kommt. Herr Parrinello wird auch eine wichtige Rolle beim Aufbau unseres neuen Zukunftsbereiches Computational Sciences (www.aoa.ethz.ch/eth-intern/00-01/1_00-01/Zukunft_1_00-01.html) zukommen." Neuausrichtung in MannoIm Hochleistungsrechenzentrum wird Parrinello einerseits den bisherigen Computerservice für die wissenschaftlichen Berechnungen aus der ganzen Schweiz sicherstellen. Andererseits plant er neu den Aufbau einer rechnergestützten Forschungsgruppe im Bereich der molekularen Modellierung. "Zwar wurde bisher schon viel und Gutes geleistet in der Forschung, aber nicht genügend auf ein Thema fokussiert." CSCS (www.cscs.ch/)
Das soll sich jetzt ändern: "Mein Ziel ist es, aus Manno ein international angesehenes Zentrum zu machen, das weltweit sowohl durch Servicequalität als auch durch seine wissenschaftliche Tätigkeit bekannt ist", betont Parrinello. Den Vorschlag einer Beteiligung an ausländischen Rechenzentren findet er wegen der dadurch entstehenden Abhängigkeit nicht empfehlenswert. "Um bei den Computational Sciences am Ball zu bleiben, braucht die Schweiz diese Kompetenz im eigenen Land." Kontaktsuche an der ETHParrinello möchte die Beziehungen zu wissenschaftlichen Institutionen in der Schweiz und in Norditalien vertiefen, um die Isolation von Manno zu brechen. Insbesondere will er sein Kontaktnetz an der ETH Zürich ausbauen: "Ich war fünf Jahre am IBM-Forschungslabor in Rüschlikon tätig. Während dieser Zeit habe ich mit vielen ETH-Angehörigen zusammengearbeitet, hauptsächlich aus dem Departement Chemie. Jetzt möchte ich mein Beziehungsnetz an der ETH erweitern. Ich bin sehr offen für eine Zusammenarbeit mit andern ETH-Instituten." Chemie oder InformatikDie genaue Einordnung von Professor Parrinello und der neuen Struktur der Computational Sciences an der ETH ist noch offen: "Vorerst werde ich ein Büro in der Chemie beziehen. Ob meine Forschungsgruppe zukünftig dem Departement Chemie oder Informatik angegliedert wird, muss noch entschieden werden." Dies hindert ihn nicht daran, rasch zu starten: "Ich bin zukünftig Professor an der ETH und möchte darum so rasch wie möglich auch in der Lehre aktiv sein und Vorlesungen geben, obwohl ich dies als Direktor des CSCS nicht müsste." Ein Studium mit Zukunft aber wenig StudierendenParrinello will den Nachwuchs fördern. Allerdings bleiben die Studierendenzahlen in seinem Fachgebiet, den rechnergestützten Wissenschaften (www.rw.ethz.ch/) , an der ETH Zürich sehr klein. In diesem Jahr haben nur wenige Studenten ein Studium in diesem Fachgebiet begonnen. Parrinello meint besorgt: "Die Abnahme der Studentenzahlen in technischen und naturwissenschaftlichen Fachbereichen ist ein ernstes Problem." Der neue starke Mann in Manno rührt schon einmal kräftig die Werbetrommel für die rechnergestützten Wissenschaften: "Einerseits kann man sehr gut Wissenschaft betreiben in diesem Gebiet und ist ganz vorne mit dabei." Andererseits sei die Nachfrage nach Absolventen dieses Fachgebiets sehr gross. So hätten alle seine Doktoranden in den letzten Jahren sofort nach ihrer Doktorarbeit eine sehr gute Anstellung gefunden, je nach Wunsch in Wissenschaft oder Industrie. Jubiläums-FeierZurzeit bekommt er durch Firmen und Universitäten mehr Anfragen nach Absolventen, als er ausbilden kann. Den Grund für diese enorme Nachfrage sieht Parrinello darin, dass die Computermodellierung eine der Basisdisziplinen in Wissenschaft, Industrie, Ingenieur- und Finanzwesen ist. Zu Ehren des zehnjährigen Jubiläums des nationalen Hochleistungsrechenzentrums möchte Parrinello im nächsten Jahr im CSCS in Manno eine wissenschaftliche Konferenz organisieren: "Hoffentlich werden wir in neuem Frieden und in aller Ruhe feiern können."
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