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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 17.01.2005 06:00

Podium zur künftigen Finanzierung der Schweizer Hochschulen
Motivation übers Portemonnaie?

Wie muss sich die Hochschullandschaft Schweiz entwickeln? Darüber debattierten am Mittwoch an der Uni Zürich Hochschulexponenten in einer Podiumsdiskussion. Fazit: Um an der Weltspitze mitreden zu können, braucht es ein neues Modell der Hochschulfinanzierung und verbesserte Betreuungsverhältnisse. Umstritten blieb das Thema 'höhere Studiengebühren'.

Regina Schwendener

Am Mittwochabend diskutierten an der Uni Zürich Experten darüber, was die Schweizer Hochschulen tun müssen, um auch künftig an der Weltspitze mithalten zu können.Eingeladen hatte die Kommission für Bildungspolitik (KBP) (1) des Schweizerischen Studentenvereins (StV) (2), des Dachverbands von rund 70 Schweizer Verbindungen.

Unter der Moderation von von Andrea Schenker-Wicki, Professorin für BWL am Institut für Strategie und Unternehmensökonomik der Universität Zürich, diskutiertenHans-Ulrich Dörig, Wirtschaftswissenschaftler und Vizepräsident des Hochschulrates der Uni Zürich sowie Vizepräsident des Verwaltungsrates der Credit Suisse Group, Konrad Osterwalder, Rektor der ETH Zürich und Vorsitzender der gesamtschweizerischen Bologna-Projektleitung, Alexander Borbély, Prorektor Forschung an der Universität Zürich und Martin Fussen, Präsident der Kommission des StV für Bildungspolitik.

Sorgen um die Motivation

Dreh- und Angelpunkt des Zürcher Anlasses waren die Hochschulfinanzierung und die Studiengebühren. Ein auffallend grosses Securitas-Aufgebot begleitete den Event. Die Veranstalter vermuteten wohl, dass es turbulent zu und her gehen könnte, denn im Mittelpunkt der Diskussion stand eine Studie zur Hochschulfinanzierung von Hans-Ulrich Dörig, die schon bei ihrer Präsentation für heisse Köpfe gesorgt hatte (3).

Der äussere Druck auf die Hochschulen werde sich verstärken – nicht nur aus den USA, sondern besonders aus Asien, das immer mehr Hochschulabsolventen hervorbringe, stellte Hans-Ulrich Dörig in den Raum. Allein das chinesische Hochschulsystem bringe jährlich rund eine Million leistungsbereiter Graduierter hervor, drei Millionen Chinesen bestünden jährlich Abschlussprüfungen in Englisch. "Was mir in Ostasien besonders auffällt, ist die enorme Leistungsbereitschaft. Demgegenüber macht mir der Faktor Motivation an europäischen Hochschulen Sorgen", so Dörig. Viel erwartet er zudem von weiteren aufstrebenden Nationen mit hohem Bildungs- und Leistungsniveau und motivierten Studierenden wie Russland oder Indien. Die Anforderungen für die schweizerischen Hochschulen würden steigen – müssten aber auch finanziert werden.

Studiengebühren erhöhen?

Die Vorschläge für das Wie lösten bisher kontroverse Diskussionen aus. An den Schweizer Hochschulen sorgten die Sparübungen des Bundes dafür, dass verschiedene Modelle für die künftige Finanzierung der Bildung in Umlauf sind. Auf dem Podium wurde zunächst festgestellt, dass in der Schweiz Angebot und Finanzierung von tertiären Bildungsinstitutionen auch heute noch fast ausschliesslich öffentlich erfolge, durch Bund und Kantone. Der Anteil der Drittmittel sei jedoch stark gestiegen.

Wie also weiter? – Das Reizthema schlechthin in diesem Zusammenhang heisst Studiengebühren-Erhöhung. Befürworter höherer Gebühren argumentieren, dass Studierende das teure Ausbildungsangebot einer Hochschule mehr wertschätzen, wenn sie für die bezogenen Leistungen adäquat bezahlen müssen. Dem halten die Gegner das Prinzip der Chancengleichheit und der freien Bildungswahl entgegen, das sie durch ein Anziehen der Gebührenschraube bedroht sehen.

Optionen schaffen

Die Podiumsteilnehmer betrachteten das Werkstudium übereinstimmend nicht als gangbaren Weg. Auf der anderen Seite würden die heutigen Stipendien zwar die Lebens-, nicht aber die Studienkosten der Studierenden decken. Zinslose Darlehen könnten hier Abhilfe schaffen. Führen aber höhere Studiengebühren zu mehr Sorgfalt bei der Wahl der Studienrichtung, zu weniger Studienabbrüchen und damit zu einer Kosteneinsparung?


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Die Podiumsteilnehmer (v.l.) Alexander Borbély, Hans-Ulrich Dörig, Andrea Schenker, Konrad Osterwalder und Martin Fussen. gross

Dörig zeigte sich überzeugt, dass höhere Gebühren ein Anreiz sind, das Studium zu intensivieren und zu verkürzen. Schweizer Hochschul-Abgänger seien älter als jene der meisten anderen Länder. Studiengebühren könnten jedoch kaum je die tragende Säule der Gesamtfinanzierung der Hochschulen sein, zeigte sich Dörig überzeugt. Denn sie würden kein zusätzliches, frei verfügbares Geld einbringen, weil sie vernünftigerweise in dem Bereich zu investieren seien, in dem sie anfallen, nämlich in der Lehre: etwa zur Verbesserung der Betreuungsverhältnisse.

Betreuungssituation ändern

Die Podiumsteilnehmer waren sich einig: die Basis, um international zu bestehen, seien gute Betreuung und Motivation der Studierenden. Hans-Ulrich Dörig verwies auf die Kernpunkte seiner Studie: eine Erhöhung der Studiengebühren auf jährlich beispielsweise 5000 Franken, womit das durchschnittliche Betreuungsverhältnis von derzeit 1 zu 43 auf 1 zu 33 verbessert werden könnte. Er macht sich zudem für die Einführung eines staatlichen Darlehenssystems stark, mit dem zu gleichen Kosten viel mehr Studierende unterstützt werden könnten als durch die Vergabe von Stipendien.

Konrad Osterwalder fand, Fortschritte beim Betreuungsverhältnis seien nicht über Studiengebühren zu erreichen. Er verwies auf ein anderes System: auf die hohe Betreuungsqualität und das bessere Klima für Motivation und Einsatzbereitschaft, den ein Hochschulcampus mit Leben und Lehren innerhalb der gleichen Mauern in den USA biete.

Wettbewerb macht Exzellenz

"Was aber macht die ETH zur Spitzenhochschule?" wollte Andrea Schenker wissen. – „Der Wettbewerb spielt an der ETH auf allen Stufen“, zeigte sich Konrad Osterwalder überzeugt. Als Vorteil im Feld internationaler Konkurrenten wertete er die gute Zusammenarbeit mit der Uni Zürich, die sich in vielen Doppelprofessuren manifestiere. Wäre es nun nicht sinnvoll, die Hochschulen stärker nach Forschung einerseits und Lehre andererseits zu differenzieren, wie es die USA vormachen? – Martin Fussen wandte ein, eine solche Abstufung sei in der Schweiz politisch kaum durchsetzbar. Konrad Osterwalder hält dies nur im europäischen Rahmen für möglich.

Alexander Borbély zeigte sich dagegen zuversichtlich, dass die Einführung des Bologna-Systems zur Ausdifferenzierung der universitären Bildungsangebote beitragen werde. Er warnte davor, mit Blick auf die USA, die zweifellos Massstäbe setzten, die eigene Forschung zu unterschätzen: „Der Hochschulplatz Zürich ist stark – und dies ist nicht zuletzt dem Bestehen zweier unterschiedlicher, komplementär wirkender Hochschulen zu verdanken.“

Den Unterschieden Rechnung tragen

Der ETH-Rektor meinte, es sei weit effektiver, Instrumente zu entwickeln, um den Wettbewerb bereits unter den Mittelschülern, unter den Studierenden, Wissenschaftlern und Institutionen stärker zu fördern. „Wir gehen immer davon aus, dass alle Studierenden gleich sind, obwohl sie sich in ihren Leistungsmöglichkeiten und Bedürfnissen stark unterscheiden.“ Man solle auf ein System hin tendieren, in dem jede Hochschule ihre Studierenden auswählen könne: „Wir haben zu viele Studierende, die gefrustet sind, weil ihnen die gebotenen Möglichkeiten nicht entsprechen“, sagte Osterwalder.


Fussnoten:
(1) Dieses Podium war Teil einer Reihe von neun ähnlichen Diskussionsanlässen, die vom StV zwischen August 2004 und Februar dieses Jahres an verschiedenen Schweizer Hochschulorten durchgeführt wurden oder noch stattfinden. Zentraldiskussion: www.schw-stv.ch/kbp/?content=zd
(2) Schweizerischer Studentenverein (StV): www.schw-stv.ch/index.php
(3) „Neue Wege zur Hochschulfinanzierung", H-U. Dörig: www.economiesuisse.ch/d/Studie_Bildung.pdf



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