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Rubrik: Tagesberichte |
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Ruzicka-Preis 2003 geht an den ETH-Chemiker Matthias Ernst Magischer Winkel |
Die Methode der Kernresonanz-Spektroskopie ist noch jung – aber erfolgreich. Wohl deshalb wurden in den vergangenen Jahren mehrere Wissenschafter ausgezeichnet, die sich mit den Grundlagen dieser Technik beschäftigten. Vergangene Woche wurde der Medizin-Nobelpreis für das bildgebende Verfahren, die Magnetresonanz-Tomografie, verliehen. Gestern ging der Ruzicka-Preis an den ETH-Chemiker Matthias Ernst für seine Arbeiten über die Spin-Entkopplung bei der Kernresonanz-Spektroskopie von Festkörpern. Von Michael Breu Den Grundstein für die Kernresonanz-Spektroskopie legten 1946 der ehemalige ETH-Physiker und spätere Stanford-Professor Felix Bloch sowie der Harvard-Physikprofessor Edward Mills Purcell. Sie beschrieben erstmals die Resonanzabsorption von Atomkernen in statischen Magnetfeldern; für ihre Arbeiten wurden sie 1952 mit dem Physik-Nobelpreis ausgezeichnet. Die magnetischen Eigenschaften von Atomkernen werden in der Physik durch den Kernspin beschrieben. Der Kernspin eines Atoms setzt sich aus den Spins der Elementarteilchen (Protonen: Spin 1/2 und Neutronen: Spin 0) zusammen aus denen das Atom aufgebaut ist. Man kann sich diesen Kernspin bildlich als kleine Magneten vorstellen. Eine genaue Beschreibung der Eigenschaften ist aber nur mit Hilfe der Quantenphysik möglich. Bringt man Atomkerne mit einem Kernspin in ein starkes Magnetfeld so beobachtet man eine bevorzugte Ausrichtung des Kernspins entweder parallel oder antiparallel zu dem Magnetfeld. In der Kernresonanz-Spektroskopie (NMR = nuclear magnetic resonance) beobachtet man den Energieunterschied dieser beiden Zustände der typisch für eine bestimmte Kernsorte ist. Neben der Wechselwirkung der Kernspins mit dem externen Magnetfeld existieren auch Wechselwirkungen der Kernspins untereinander. Zum Beispiel erzeugt jeder Kernspin ein kleines Magnetfeld und beeinflusst so das Magnetfeld, welches einen anderen Kernspin sieht. Fortschritte - mit dem Nobelpreis gewürdigt In den letzten fünfzig Jahren hat die Kernresonanz-Spektroskopie enorme Fortschritte erreicht. Mit der Puls-Fourier-Transformation konnte zum Beispiel das Signal-Rausch-Verhältnis entscheidend verbessert werden. Die Grundlagenarbeiten dafür leistete der emeritierte ETH-Chemieprofessor Richard R. Ernst, der dafür 1991 mit dem Chemie-Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Ebenfalls wichtige Arbeiten auf dem gleichen Gebiet leisteten der ETH-Biophysiker Kurt Wüthrich (Chemie-Nobelpreis 2002 für seine Forschung über die dreidimensionale Strukturaufklärung von biologischen Makromolekülen) sowie die vergangene Woche mit dem Medizin-Nobelpreis geehrten Paul Lauterbur und Peter Mansfield (für ihre Forschung über die bildgebende Magnetresonanz-Tomografie). Nun wird ein weiterer, begehrter Preis für die Erforschung des NMR vergeben: Den diesjährigen Ruzicka-Preis erhält
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Matthias Ernst vom ETH-Laboratorium für Physikalische Chemie(1). Der 39-jährige Chemiker wird für seine Arbeiten auf dem Gebiet der Kernresonanz-Spektroskopie von Festkörpern ausgezeichnet. Insbesondere habe er sich um die Spinentkopplung unter Probenrotation um den „magischen Winkel“ verdient gemacht, würdigt das Preiskomitee. Beim „magischen Winkel“ (magic-angle sample spinning, MAS) handelt es sich um einen Kunstgriff. Forscher stellten nämlich fest, dass die Auflösung des Festkörper NMR-Spektrums deutlich besser wird, wenn eine Probe im Winkel von 54,7 Grad in das Magnetfeld des Geräts eingebracht und rotiert wird. Bei der Spin-Spin-Entkopplung können gekoppelte Signale – sichtbar als zusätzliche Linien oder breite Banden auf dem Monitor des NMR-Geräts – wesentlich schmaler gemacht werden. Dazu werden zusätzlich hochfrequente Pulssequenzen eingestrahlt. Gekoppelte Signale entstehen durch die Wechselwirkung verschiedener Kernspine. Beispiel Fluormethan, FCH3: Ohne Spin-Spin-Entkopplung würde das Gerät für das Spektrum des Fluoratoms ein Quadruplett registrieren, ein Signal mit vier Peaks. Diese beschreiben die Wechselwirkungen der H-Atome mit dem F-Atom. Mit Entkoppelung hingegen zeigt das Spektrum nur eine einzige Linie. „Die ausgezeichnete Arbeit befasst sich mit der theoretischen Beschreibung dieser Spin-Entkopplung in rotierenden Proben und der Weiterentwicklung der Methode um eine höhere Auflösung zu erhalten“, sagt Matthias Ernst. Die neue Methode erlaube es, bei schneller Probenrotation die eingestrahlte Radiofrequenzleistung um einen Faktor 200 zu reduzieren bei einer nur geringfügigen Reduktion der spektralen Auflösung. Auch amorphe Verbindungen können untersucht werden Wichtig ist diese Methode für die Chemie, Physik, Biologie und Materialwissenschaften. Denn mit der Kernresonanz-Spektroskopie von Festkörpern können – im Gegensatz zur Röntgenbeugung – auch amorphe, also nicht-kristalline Verbindungen untersucht werden. Dazu gehören zum Beispiel Amyloide, wie sie bei der Alzheimer-Krankheit abgelagert werden oder Prionen, wie sie im Gehirn von BSE-Infizierten Kühen zu finden sind. Erst kürzlich vom Schweizerischen Nationalfonds vorgestellt wurde die chemische Struktur der Spinnenseide, welche die Gruppe für Festkörper-NMR der ETH entschlüsselte.
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Literaturhinweise:
Fussnoten:
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