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Rubrik: Tagesberichte |
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Wie Johannes Schlaefli mit dem akademischen Orchester arbeitet Der Duft der Akustik |
Zum akademischen Orchesterleben in Zürich gehört der Name Johannes Schlaefli. ETH Life traf den Dirigenten und sprach mit ihm über seine Arbeit mit dem Akademischen Orchester Zürich, das aktuelle Programm desselben und neue Musik. Mit Johannes Schlaefli sprach Christoph Meier Sie sind seit 1983 Dirigent des Akademischen Orchester Zürich (AOZ). Was reizt Sie, mit Laien zu arbeiten? Seit 1983. Das ist schon verrückt. Zur Arbeit mit Laien: Beim akademischen Orchester gibt es eine ideale Berührung von relativ hohem musikalischen Niveau, von Aufnahmebereitschaft und musikalischer Intelligenz. Dazu weisen die Musizierenden mit 20-30 Jahren ein wunderbares Alter auf und zeigen grosse Bereitschaft für die Orchesterarbeit. Dadurch können viele Stücke äusserst befriedigend dargestellt werden. Nicht zu vergessen gilt es auch das Element des Liebhabers, des Amateurs im eigentlichen Sinne des Wortes, der mit einem Feu sacré dabei ist. Wer kann beim akademischen Orchester mitspielen? Von den Statuten her sind es Studierende, Assistierende und Doktorierende. Mir ist es aber auch völlig recht, wenn zum Beispiel ein ETH-Angestellter kommt. Um die Statutenkonformität kümmern sich andere. Es gibt auch meistens Juristen im Orchester-Vorstand. Es kommt aber leider auch vor, dass man guten Musizierenden sagen muss, dass sie gemäss Statuten gehen müssen. Haben Sie Probleme Leute zu finden, die auf gleichem Niveau musizieren? Nein, eigentlich nicht. Es gibt viele, die im Orchester mitspielen wollen, und normalerweise geht es auf. Hin und wieder müssen wir bei speziellen Instrumenten wie dem Fagott oder dem Horn Leute von aussen zuziehen. Die Zurückweisung in einem solchen Fall von Bewerbern aus den Hochschulen, die das Instrument einfach bei weitem nicht gut genug beherrschen, ist auch für die Betroffenen von Vorteil, da eine Überforderung auch für sie nicht lustig wäre.
Ist die Arbeit mit einem Laienorchester nicht repetitiver als mit Profis? Das schon. Ich bin aber ebenso Dirigent wie auch Pädagoge. Und das sehr gerne. Bei der Arbeit sehe ich Unterschiede zu den Profis im Arbeitstempo. So muss häufiger auf gewissen Sachen insistiert werden. Man muss und kann aber auch mehr Visionäres und Bildhaftes hineinbringen. So ist das musikalische Produkt oft auch Resultat des gesprochenen Dialogs. Es wird häufig gesagt, dass sich Bläser und Streicher typmässig unterscheiden. Inwiefern trifft diese Aussage zu? Konnten sie dieses Phänomen auch bei Laien beobachten? Bis zu einem gewissen Grad schon: Vielleicht sind Holzbläser im Durchschnitt individualistischere Persönlichkeiten, Blechbläser etwas weniger leise und Streicher etwas integrativer, weil sie in der grossen Masse mitschwimmen. Aber bei allen gibt es fast ebensoviele Ausnahmen, so können auch zuhinterst in der zweiten Geige Leute mit viel Rückgrat sitzen. Nach welchen Gesichtspunkten werden die Programme des AOZ, und im Speziellen, das nächste zusammengestellt? Entweder gestaltet man ein Programm, bei welchem es darum geht, einen Zusammenhang zwischen den Musikstücken herzustellen, oder es ist wie bei uns, wo die Zusammenstellung unter dem Gesichtpunkt "Was macht Lust zum Spielen" geschieht. Das aktuelle, traditionell gestaltete Programm entspricht diesem Gedanken.
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Wenn man möchte, kann man Querverbindungen zwischen den Stücken sehen. So sind Smetana und Kodály osteuropäische Komponisten und auch Brahms hatte eine Affinität zu diesem Gebiet. Ehrlicherweise ist aber zu sagen, dass das vorliegende Programm nicht nach diesen Gesichtspunkten zusammengestellt wurde. Zuerst war einmal geplant, dass andere Sätze aus dem Zyklus "Mein Vaterland" als die "Moldau" gespielt werden. Wäre es nicht eine Chance gewesen, zu zeigen, dass Smetana mehr ist als der Komponist der "Moldau"? So kann man argumentieren. Das Orchester wollte aber lieber die "Moldau" spielen. Es ist immer wieder eine Gratwanderung: Wie weit soll ich auf die Wünsche der Orchestermitglieder eintreten, oder eigenmächtig entscheiden, dass etwas gespielt wird? Das akademische Orchester dient mir nicht dazu, mich mit speziellen Programmen zu profilieren. Würden Sie die Orchestermitglieder von ihren musikalischen Wünschen her eher als konservativ bezeichnen? Ja, schon. Man muss aber sehen, dass die sogenannten Mainstream-Stücke auch von der Substanz her viel bieten. Zu Beginn meiner Tätigkeit war die Ausrichtung noch anders. So wurden damals viele unbekannte Stücke aufgeführt, wobei das nicht ganz verloren gegangen ist. Es kann auch Selbstschutz sein, wenn Laienorchester unbekannte Stücke spielen. Das Orchester hat aber inzwischen so grosse Fortschritte gemacht, dass auch eine "Zweite" von Brahms gut anzuhören ist. Würden Sie gerne neue Musik mit dem AOZ spielen? Für diese Musik ist es nicht einfach, Stücke zu finden, die spielbar sind - sowohl spieltechnisch als auch für die Situation, dass nur einmal in der Woche geprobt wird. Es braucht viel und man darf sich nicht irritieren lassen, wenn es harzig läuft. Ich muss aber betonen, dass das AOZ immer wieder neue Musik aufführt. Zeigen die Orchestermitglieder als Wissenschaftler bei neuer Musik Experimentierfreudigkeit? Das ist sehr unterschiedlich. Im Allgemeinen ist es aber so, dass die Orchestermitglieder das Musizieren als musischen Ausgleich betrachten und nicht als Experimentierfeld. Für Profimusiker muss es aber ein Auftrag sein, sich mit neuer Musik auseinanderzusetzten und diese an die Öffentlichkeit zu tragen. Sie habe Oboe studiert. Spielen Sie ihr Instrument noch? Leider nicht, da ich keine Zeit dazu finde. Ich kam per Zufall zum Dirigieren und hatte keine Ausbildung gemacht. Das gab sehr viel zu tun, da ich mir jedes Programm neu erarbeite musste. Dazu kommt noch, dass ich schlecht Klavier spiele. Zudem gehört auch meiner Familie Zeit. Die Oboe habe ich trotzdem noch. Wie würden Sie für das anstehende Konzert werben? Ich finde das Programm total attraktiv zum Zuhören wie zum Zuschauen. Zuerst die "Moldau", die mit ihren atmosphärischen Darstellungen genau den Nerv trifft. Wenn diese symphonische Dichtung im Konzertsaal mit dem ganzen Duft der Akustik anhebt, spürt man die Qualität dieses Stückes. Die Ohren werden geöffnet... Danach die Suite von Kodály, welche mit einem Niesen beginnt und der Tänzer auf die Bühne stolpert: Hier kann man einige Überraschungen erleben, auch wenn das Stück klanglich nicht völlig quer liegt. Zum Schluss Brahms: Dessen zweite Symphonie ist sommerlich. Es ist eine Musik, in der sich die Orchestermitglieder sehr direkt ausdrücken. Sehen Sie das AOZ für Sie nicht als ein Sprungbrett zu einem grösseren Orchester. Dafür bin ich zu alt. Ich musste schon einige Male überlegen: Was soll ich aufgeben? Doch ich hatte nie Lust verspürt, das AOZ abzugeben.
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