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Rubrik: Tagesberichte |
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ETH-Angehörige am Weltgipfel in Johannesburg Der Welt den Spiegel vorgehalten |
An der grössten Konferenz aller Zeiten Anfang September in Johannesburg, dem World Summit on Sustainable Development (WSSD) war auch eine Gruppe von ETH-Studierenden, die sich als Mitglieder der World Student Community for Sustainable Development (WSC-SD) in Fragen der nachhaltigen Entwicklung engagieren. Ein persönlicher Rückblick des Leiters WSC-SD-Delegation. Von Peter Wotschke Den Pfad objektiver Berichterstattung verlasse ich für diesen Text ganz bewusst, um diesem unpersönlichen, fast unfassbar anmutenden Ungetüm an Konferenz eine persönliche Note zu geben. Bereits der Vorbereitungsprozess zum WSSD, die vier Vorbereitungstreffen („PrepComs“) in New York und Bali, flösste in ihrer thematischen wie diplomatischen Komplexität dem studentischen Betrachter einen ehrfürchtigen Schrecken ein. Wie sollen wir als kleine, noch recht unbekannte Studentenorganisation auf der grossen Bühne internationaler Politik Fuss fassen, geschweige denn Gehör finden? Die Antwort überrascht in ihrer Einfachheit: man muss sich darum bewerben. Um offiziell an eine UNO-Konferenz zugelassen zu werden, ist eine Akkreditierung notwendig.
Im Falle des WSSD war dies für eine Organisation wie der WSC-SD relativ einfach zu bewerkstelligen. Einmal akkreditiert, stand uns die Möglichkeit offen, an allen offiziellen Vorbereitungs- und Konferenzveranstaltungen teilzunehmen. Finanziert wurde die Teilnahme unserer Delegationsmitglieder übrigens durch die Alliance for Global Sustainablity (AGS), der an dieser Stelle dafür noch einmal sehr herzlich gedankt sei. Spannende Nebenschauplätze Eines haben alle grösseren Tagungen gemein: den eigentlichen Wert sollte man nicht nur am Vortragsprogramm messen, sondern auch an den Nebenschauplätzen. Bei Fachkonferenzen sind dies meist die Kaffeepausen oder die Gespräche auf den Gängen, bei denen man in intensivere Diskussionen treten, Kollegen kennen lernen und sich bekannt machen kann. Ebenso verhielt es sich mit dem WSSD. In überraschender Offenheit standen Referenten im Anschluss an ihre Vorträge für Nachfragen zur Verfügung, taten sich spontan in den Pausen Gesprächsrunden auf.
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Forciert wurde dieser Aspekt durch die Einrichtung von Nebenschauplätzen durch die Veranstalter. In einer Entfernung von etwa 15 Bus-Minuten lag eine Zeltstadt, die Info-Stände von zahlreichen Nationen und UN-Organisationen beherbergte. Weit abgeschlagen - fast ein wenig ins Abseits gestellt - dagegen die Ausstellung der Nichtregierungs-Organisationen (NGO) auf dem ehemaligen Expo-Gelände. Doch auch die in unmittelbarer Nähe zum Convention Center Sandton, dem Schauplatz der offiziellen Verhandlungen, gelegenen Hotels etablierten sich zu hochkarätigen Veranstaltungsorten. In der Auswahl der parallel stattfindenden Veranstaltungen konnten wir unseren Gruppenvorteil geltend machen, indem wir uns morgens über das Angebot informierten und auf die diversen Standorte aufteilten, und uns abends in einem Gruppentreffen über die gemachten Erfahrungen austauschten. An der Realität vorbei Eine dieser Erfahrungen war die Feststellung, dass diese Konferenz in frappierender Weise die Situation der Weltpolitik widerspiegelt. Ein Beispiel ist der Standort Johannesburg an sich. Südafrika sieht sich als Staat mit denselben Gegensätzen von Arm und Reich konfrontiert, wie es die Welt als Ganzes tut. Eine Minderheit (vornehmlich weisser Hautfarbe) verfügt über einen Lebensstandard, der dem unseren in der Schweiz gleicht. Eine Mehrheit hingegen lebt in ärmlichen Verhältnissen, viele davon ohne Zugang zu frischem Wasser, ohne sanitäre Anlagen und ohne elektrischen Strom. Genau dies sind Punkte, die auch auf der Tagesordnung der Konferenz standen - allerdings nicht mit Blick auf die unmittelbare Nachbarschaft, sondern in eine scheinbare Ferne schweifend. Man spricht über die globalen Probleme der Welt, will aber die lokal vor der „eigenen Haustür“ liegenden Probleme übersehen.
Ein anderes Beispiel ist die Unterordnung sozialer und ökologischer Interessen unter ökonomische „Sachzwänge“. Dies widerspricht dem Verständnis von nachhaltiger Entwicklung, die die drei Aspekte Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt als gleichberechtigt versteht. Im globalen wie lokalen Massstab bekommen beispielsweise Umwelt- und Ressourcenschutz eine geringere Priorität als Wirtschafts- und Handelsinteressen. Auch in Johannesburg wurde die Chance verpasst, dies zu ändern. Schmerzlich ist zudem, dass eine kleine Gruppe von Ländern in der Lage ist, Kompromisse zu verhindern, zu denen sich der Rest der Welt mühsam hat durchringen können. Der Wert einer solchen Mega-Konferenz, die es fertig gebracht hat, in bisher nicht bekanntem Umfang die Völker, die Menschen, die Interessen dieser Welt an einen Tisch zu bringen, wird somit auf ein Minimum reduziert. Allgemeine Ernüchterung Daraus, und aus dem Umstand, dass letztendlich keine der rund 720 akkreditierten NGOs bewirken konnte, dass das WSSD zu einem richtigen Meilenstein auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung wurde, resultiert wohl auch die allgemeine Ernüchterung und die sehr verhaltene Bewertung der Konferenz durch zahlreiche Teilnehmer. Mein persönliches Fazit ist nicht so negativ, da ich bezüglich konkreter Ergebnisse keine hohen Erwartungen an diese Konferenz hatte. Vielmehr wollte ich die Arbeitsweise der UNO kennen lernen, die WSC-SD bekannt machen, das Climate Ticket promoten und mit interessanten Leuten ins Gespräch kommen. Durch Präsentationen beim Schweizer Pavillon und auf dem Expo-Gelände, sowie der Mitausrichtung des einzigen offiziellen UNO-Side-Events für die Jugend, ist dies sehr gut gelungen. |
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