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Zweiklassen-Gesellschaft verhindern Zweiklassen-Gesellschaft verhindern |
Es freut mich, dass meine Kolumne (1) eine lebhafte Diskussion entfacht hat. Obwohl die Lohndiskussion nicht Ziel der Kolumne war, möchte ich doch noch ein paar Kommentare anbringen: Zum Leserbrief von Beat Louis "Zweiklassen-Gesellschaft verhindern"(2): Die beschriebene Zweiklassengesellschaft gibt es bei den Doktorierenden tatsächlich, die zum Teil massiv unterschiedliche Bezahlung für eine sehr ähliche Arbeit ist stossend. In Lausanne ist dank dem Mindestanstellungsgrad von 75% die Situation weniger gravierend, Unterschiede existieren aber ebenfalls (es existiert kein Einheitslohn). Die Lösung "Einheitslohn" scheint mir allerdings wenig tauglich, da sich die Arbeitsbedingungen genauso wie die typische Dauer der Dissertation schon innerhalb der ETH je nach Institut massiv unterscheiden (Stichworte: Lehrbelastung, administrative "Nebenjobs", etc.). Auch die Marktsituation darf sich durchaus auch auf die Löhne auswirken, hier sind die Hochschulen keine isolierten Inseln. Was mich persönlich irritiert, ist die offensichtliche Geringschätzung des Studiums (Diplom bzw. Master-Stufe) in gewissen Fachrichtungen. Darf ich aus der Tatsache, dass z.B. bei der Chemie ein Doktorat quasi vorausgesetzt wird, ableiten, dass das Studium alleine kaum etwas wert ist? Während bei uns Ingenieuren anerkannt ist, dass die ersten Jahre nach dem Studium zum grossen Teil "Lehrzeit" oder "Einarbeitung" sind, die von der Industrie übernommen werden, werden offenbar in anderen Fachrichtungen weitergehende Erwartungen gestellt. In meinem Weltbild soll die Dissertation in erster Linie den Zugung zur akademischen Forschung ermöglichen, nicht integraler Bestandteil der Berufsausbildung einer breiten Masse sein. Die niedrigen Doktoratslöhne (oder sollte ich sie besser "Stipendien" nennen?) in den entsprechenden Fachbereichen reflektieren ein tiefer liegendes Problem. Dass sich Elisabeth Orglmeister in ihrem Leserbrief (3)fragt, warum sie sich das antue, kann ich aus der obigen Überlegung gut verstehen. Zum Thema Familie und Dissertation: Eigentlich böte die ETH ein gutes Umfeld für Mütter und Väter: Nur wenige Arbeitgeber ermöglichen so flexible Arbeitszeiten, wie sie an vielen Instituten üblich sind. Auch Teilzeitarbeit (ich meine damit explizit nicht 120% Arbeitszeit bei 60% Lohn) ist weit verbreitet. Was allerdings fehlt, sind die Betreuungsmöglichkeiten für Kinder zum erschwinglichen Tarif - da hat die Schweiz generell ein Defizit. Realistisch betrachtet scheint mir die Lösung "mehr Lohn" zurzeit kaum machbar, mehr Kinderbetreuung hingegen schon. Hier ist kontinuirliche Lobbyarbeit angesagt, genauso wie die Suche nach kreativen Lösungen. Ich möchte alle Betroffenen ermuntern, sich politisch und gesellschaftlich zu engagieren! Die AVETH wäre zum Beispiel eine geeignete Platform dazu. Martin Näf | ||||||||||
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