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Rubrik: Campus Life INTERACT 2003: Konferenz zur Mensch-Computer Schnittstelle Maschinen für Menschen |
Published: 04.09.2003 06:00 Modified: 04.09.2003 13:09 |
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Dank der Ergonomie-Forschung gibt es viele einfache, verständliche und trotzdem schöne Produkte.
Mit der „Interact 2003“ startete gestern an der ETH auf dem Hönggerberg eine der wichtigsten internationalen Konferenzen zum Thema "Mensch-Computer Interaktion". Ein beteiligter Doktorand und der Geschäftsleiter einer ETH Spin-off-Firma berichten über ihre an der Tagung präsentierten Projekte. Von Jakob Lindenmeyer (www.jakob.lindenmeyer.ch/) „Das primäre Ziel der Tagung INTERACT 2003 (1) ist der Austausch von Erfahrungen und neuen Ideen unter Fachkollegen aus der ganzen Welt“, erklärt der 31-jährige ETH-Doktorand Philippe Zimmermann, der an der Organisation der Tagung mitarbeitete. Ein dauernder Erfahrungsaustausch sei insbesondere im Gebiet der Mensch-Computer-Interaktion wichtig, weil sich auf diesem Fachgebiet die technischen Möglichkeiten rasend schnell änderten. Neue Eingabemedien und DisplaysMit über 400 Teilnehmenden und über 100 Workshops, Vorträgen und Tutorials gilt die fünftägige Konferenz „INTERACT 2003“, die diese Woche an der ETH auf dem Hönggerberg stattfindet, als eine der wichtigsten internationalen Konferenzen zum Thema Mensch-Computer-Interaktion. Die „INTERACT 2003“ ist vorwiegend europäisch geprägt und findet alle zwei Jahre statt. Dieses Jahr beteiligen sich unter anderen auch die Schweizerische Gesellschaft für Informatik und das Institut für Hygiene und Arbeitsphysiologie (IHA) der ETH Zürich (2) . Themenschwerpunkte bilden neue Eingabemedien, Displays, Interaktionsformen und die Benutzerqualität. Zufriedenheit statt Kampf den MaschinenDoch was genau versteht der Forscher unter „Benutzerqualität“? „Usability beschreibt Eigenschaften eines Produktes, welches die Interaktion des Benutzers mit der Maschine zufriedenstellender, nützlicher und effizienter machen“, erklärt der Umweltnaturwissenschaftler Philippe Zimmermann vom IHA. (Beispiele: Siehe Kasten rechts unten.) Emotionen verraten ÜberforderungIn seiner Doktorarbeit beschäftigt sich Zimmermann mit der Messung von Emotionen in Mensch-Maschine-Interaktionen. Dabei benutzt er motorische Parameter wie Mausgeschwindigkeit, Klickhäufigkeit, Länge eines Tastendrucks oder Tippgeschwindigkeit als Messparameter für die Stimmung des Benutzers. Die praktische Anwendung seiner Erkenntnisse sieht Zimmermann beispielsweise in der Werbung, im E-Commerce, in Callcentern zur Vorselektion von Anrufen, zur Überwachung der Sicherheit von Kernkraftwerken und Flugzeugen, oder etwa im E-Learning, wo ein virtueller Lehrer erkennen könnte, dass ein Schüler mit seiner Aufgabe überfordert ist. Aus Wort wird Bild, aus Bild wird FilmAn der „Interact 2003“ organisiert und betreut Zimmermann das Spezialprogramm „Interactive Experience“, das mit vielen heterogenen Installationen und Experimenten die Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Kunst widerspiegelt. Zimmermann selbst präsentierte gestern eine Installation namens „One Word Movie“ (3) . Dabei handelt es sich um eine Plattform, welche mittels Worteingaben die Bilderflut des Internet sortiert und zu einem Film animiert und dadurch einen neuen Blick auf die Psychogeographie des Internet wirft.
So visualisiert beispielsweise der durch das Stichwort „Ich“ generierte Einwort-Film ein Muster, das durchaus aussagekräftig ist für den aktuellen Stand der Netz-Kultur. Es dominieren die Bilder von jungen weissen Männern. Frauen hingegen tauchen erst nach einiger Zeit auf, da sie in der Rangfolge tiefer platziert sind. Ganz anders hingegen beim Stichwort „Madonna“, dem Lieblings-Einwort-Film des Entwicklers Zimmermann: Hier dominiert anfänglich der bekannte Popstar (siehe Bild oben) und wird erst nach und nach abgelöst durch Heiligen-Bilder und Ikonen der christlichen Mutter Gottes. Zimmermann bilanziert: „Durch One Word Movie eröffnet sich ein flimmernder Blick auf eine bis anhin unsichtbare Psychogeographie des Netzes.“
Ebenfalls mit der Benutzung des Internet beschäftigt sich ein anderer Teilnehmer der „INTERACT 2003“, allerdings eher kommerziell als künstlerisch: Der 33-jährige Ergonom Christopher Müller hat nach Studium und Doktorat an der ETH vor zwei Jahren die Spin-off-Firma ergonomie & technologie (e&t) GmbH (4) mitbegründet. Seine Firma testet im hauseigenen „Usability-Testlabor“ die Benutzerqualität interaktiver Produkte und unterstützt Kunden bei der Entwicklung benutzungsfreundlicher, einfacher und nützlicher Produkte. So testete e&t beispielsweise das neue „Web Corporate Design“ (5) der ETH Zürich auf dessen Benutzerqualität. Die Erfahrungen mit Testpersonen führten zu zahlreichen Korrekturen am ETH-Design (siehe Bild unten). Der neuste Wurf der Firma e&t ist der heute an der „INTERACT2003“ präsentierte „e&t attentiontracker“. „Er erlaubt, die auffälligen Elemente auf Internetseiten und Bedienoberflächen sowie in Werbung und Printmedien zu identifizieren und optimal zu positionieren“, erläutert Müller.
Beschränkt sich die Ergonomie-Forschung denn primär auf Webseiten? Müller widerspricht und nennt als klassisches Beispiel das Design der Computer-Tastatur, der Maus oder des Arbeitsplatzes als Ganzes. „Auf diesem Gebiet sind in den letzten zwanzig Jahren grosse Fortschritte erzielt worden“, erklärt Müller mit Verweis auf die ersten PCs in den achtziger Jahren. Allerdings komme es auch heute noch vor, dass sich Benutzer an schlecht designte Produkte gewöhnen. „Beispielsweise werden die Nutzer beim Schreiben einer Kurzbotschaft per Handy durch einen äusserst unpraktischen Nummernblock vergewaltigt. Doch das SMSlen ist trotzdem sehr beliebt und breit akzeptiert.“ Allerdings nehme die Geduld der Nutzer ab, beobachtet Müller und prophezeit: "In Zukunft wird es immer wichtiger, dass neue Produkte intuitiv bedienbar sind." Benutzerfreundliche ZukunftAn der „INTERACT 2003“ ist Müller primär für die Medienbetreuung zuständig. Am gestrigen Medienlunch erklärte er den Nutzen einer stärker benutzungsorientierten Entwicklung von Produkten: „Einfach zu benutzende Produkte reduzieren die Einarbeitungszeit, den Schulungsaufwand, die Wartung, und sie vermeiden ‚bekannte’ Fehler. Zudem erhöhen sie die Sicherheit und die Akzeptanz bei den Benutzenden.“ Dank der Ergonomie-Forschung und internationalen Normen gebe es heute schon viele einfache, verständliche und trotzdem schöne und moderne Produkte, ist Müller überzeugt und verspricht zum Schluss: „Dank den durch die INTERACT 2003 ausgelösten Impulsen für Forschung und Entwicklung können Benutzer auf eine Zukunft mit benutzerfreundlichen Produkten hoffen.“
Footnotes:
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