www.ethlife.ethz.ch |
Rubrik: Tagesberichte Der Dalai Lama am ETH-Symposium "Fear and Anxiety" Ozean der Weisheit trifft Wissenschaft |
Published: 05.08.2005 06:00 Modified: 08.08.2005 11:36 |
|||||||||||||||||||||||||||||
Grosser Tag an der ETH: Im Beisein des 14. Dalai Lama und von Bundesrat Pascal Couchepin hat gestern Donnerstag das Symposium "Fear and Anxiety" stattgefunden. Ziel des Anlasses war es, die wissenschaftliche Sicht mit buddhistischen Ansätzen zu verknüpfen und Gemeinsamkeiten herauszuschälen. Über 3'000 Personen verfolgten das Symposium im ETH-Hauptgebäude und tausende Weitere per Videoübertragung im Internet. Von Peter Rüegg (mailto:peter.rueegg@cc.ethz.ch) und Jakob Lindenmeyer (www.jakob.lindenmeyer.ch/) Gleich nach dem Eintreffen des Dalai Lama hielten ETH-Präsident Olaf Kübler, Bundesrat Pascal Couchepin und Seine Heiligkeit eine 40-minütige Besprechung hinter verschlossenen Türen. Das Gespräch zwischen dem Bundesrat und dem Dalai Lama fand gemäss einer Medienmitteilung des Eidgenössischen Departements des Innern (1) in freundschaftlicher und entspannter Atmosphäre statt. Couchepin hiess im Namen des Gesamtbundesrates den Dalai Lama als "spirituelles Oberhaupt der tibetisch-buddhistischen Gemeinschaft" in der Schweiz willkommen. Das Treffen trug offiziell keinen politischen Charakter. Dennoch haben der Bundesrat und der Dalai Lama über die aktuelle Situation der autonomen Region Tibet gesprochen. Ferner diskutierten sie über Fragen der Religions- und Kulturfreiheit sowie über die Verhandlungen zwischen Vertretern der Regierung Chinas und des Dalai Lama. Grossandrang am SymposiumMit Spannung erwartet wurde das Symposium "Fear and Anxiety". Olaf Kübler würdigte in seiner Eröffnungsansprache das Symposium als einen der ganz besonderen Anlässe zum diesjährigen 150-Jahr-Jubiläum der ETH. Das Thema Angst und Furcht sei in der heutigen Zeit dominant. Regierten diese beiden negativen Gefühle, so habe das System unserer Gesellschaft versagt. Gesucht seien Vorbilder, die einem helfen würden, Furcht und Angst zu überwinden. Ein solches Vorbild sei der Dalai Lama. Auch Bundesrat Couchepin sprach von einem weiten und hoch komplexen Thema. Die Gedanken des Dalai Lamas hätten ihn tief beeindruckt, sagte er. Durch Meetings wie diesem würden die spirituellen Traditionen der vertretenen Kulturen gegenseitig bereichert. Der Dalai Lama seinerseits erläuterte in seiner Eröffnungsrede die Gründe, weshalb aus buddhistischer Sicht Furcht und Angst entstehen würden: aus einem falschen Verständnis und falscher Deutung der Realität. Wissen, sagte Seine Heiligkeit, könne zu Freiheit und Glück führen. Ein weiterer Weg, die negativen Emotionen zu überwinden, sei die Weissagung. „Aber das“, fügte der tibetische Würdenträger mit einem Lachen an ,“ist ja nicht wissenschaftlich.“
Auf die wissenschaftliche Betrachtung konzentrierte sich dafür der emeritierte Uni- und ETH-Professor Hanns Möhler, der mit seinem Vortrag „Das ängstliche Gehirn“ neurobiologische Grundlagen der Angst erläuterte. Furcht und Angst, sagte der Neurobiologe, haben für das Überleben des Menschen eine wichtige Rolle gespielt. Jeder erfahre immer wieder Angst und Furcht. Mit Messungen der Gehirnströme und Gehirnaktivitäten habe die Wissenschaft den Sitz dieser negativen Emotion im Gehirn dingfest machen können. Eine zentrale Rolle spielt dabei ein spezieller Hirnbereich, die sogenannte Amygdala, die Angsterfahrungen verarbeitet, weiterleitet aber auch speichert. Aus normaler, quasi natürlicher Angst könnten durch das Zusammenspiel Genen und Umwelteinflüssen krankhafte Angststörungen entstehen.
Wie jedoch mit Angst umgehen? Als Beispiel für den Umgang mit Ängsten erwähnte Möhler die antike Sage von Perseus, der die schlangenköpfige Medusa bekämpfen musste. Ihr Blick liess Opfer zu Stein werden. Um den direkten Blickkontakt zu umgehen, benutzte Perseus seinen Schild als Spiegel. Durch die Vermeidung der direkten Konfrontation mit der Angst gelang es Perseus, die Medusa zu enthaupten. Zum Schluss wünschte Möhler allen Zuschauern, dass sie bei einem allfälligen Zusammentreffen mit ihren Ängsten auch einen Schild dabei haben möchten, um diese Ängste abzuwehren, wenn auch nicht so gewalttätig wie Perseus. Umwelt braucht mehr MitgefühlAls nächster Redner (2) versuchte der deutsche Theologe Eugen Drewermann, Angst vor einem christlichen Hintergrund darzustellen. Der französische Buddhist und Molekularbiologe Matthieu Ricard schlug den Bogen zum Buddhismus. Aus psychologischer Sicht argumentierte Professor Arno Gruen. Jürgen Margraf von der Universität Basel zeigte die klinische Diagnose und Therapiemöglichkeiten von Angstzuständen auf. Und die Ombudsfrau für Menschenrechte der OSZE, Gret Haller, beendete die Vortragsreihe mit einer Betrachtung über Angst aus politischer und gegenwartsbezogener Sicht. Flott durch die Tagung führte der Nobelpreisträger und Initiator des Symposiums, Richard Ernst. Der emeritierte ETH-Professor Pier Luigi Luisi löste ihn am Nachmittag ab. Gegen 16 Uhr zog der Dalai Lama sein Fazit: Er hoffe, dass diese Art von Diskussionen dazu beitragen würden, dass Individuen, Familien und schliesslich auch die Gesellschaft glücklicher werden könnten. Als eines der Hauptprobleme unserer Zeit nannte er unter anderem das Fehlen von Mitleid und Mitgefühl. „Wenn wir mehr Mitgefühl entwickeln, dann wird die ganze Gesellschaft ehrlicher“, sagte der Dalai Lama. Die Menschheit habe das Potenzial, die anstehenden Probleme selbst zu lösen. Einen besonderen Appell richtete er an die ETH als akademische Institution. Diese habe eine besondere Stellung bei der Lösung der Probleme. Worte, denen sich Richard Ernst nur noch anschliessen konnte. Er hoffe auf eine freudvolle und bessere Zukunft, zu der jeder, und sei sein Beitrag noch so klein, beitragen könne.
Footnotes:
|